Übergänge
Übergänge sind Veränderungen von alltäglichen Lebensabläufen und erschließen neue Lebensbereiche (z. B. Aufnahme in die Kindertagestätte, Übergang von der Kindertagestätte in die Grundschule). Übergänge sind Phasen von Diskontinuität. Sie gehören zum Lebenslauf eines jeden Menschen. Diskontinuitäten sind der Motor für Entwicklung. Wenn Übergänge positiv bewältigt werden, gehen wir gestärkt aus ihnen hervor und sehen neuen Veränderungen zuversichtlich entgegen. Übergänge sind jedoch auch Phasen starker Belastungen und bergen bei schlechter Bewältigung Risiken für die weitere Entwicklung. Daher erfordern sie besondere pädagogische Aufmerksamkeit und bewusste Gestaltung. Bei der Gestaltung der Übergänge sind bisherige Bindungen die Grundlage, auf der neue Erfahrungsfelder erschlossen und neue Beziehungen aufgebaut werden können.
Im Bereich der Kleinkindbetreuung bedeutet Bindung in erster Linie „das emotionale Band zwischen dem Kind und seiner Mutter (bzw. einer stabilen Bezugsperson), das beide über Raum und Zeit hinweg verbindet… und durch soziales Lernen seine spätere Ausprägung erfährt.“ (Bolby 1969; Schaffer/Emerson 1964)
Bindungen an feste Bezugspersonen sind Voraussetzung für eine positive Entwicklung eines Kindes. Nur durch die Bindung zu verlässlichen Erziehungspartnern kann ein Kind sich sicher und frei entfalten.
Aufgrund dieser Erkenntnisse ist es für uns von grundlegender Bedeutung bei der Aufnahme eines Kindes eine vertrauensvolle Beziehung zu dem Kind aufzubauen. Dies geschieht zuerst zu einer festen Bezugsperson, die dem Kind während der gesamten Dauer der Eingewöhnung zur Verfügung steht.
Übergang in die Kindertagesstätte
Der Übergang von der Familie in die Kindertagestätte erfolgt nach einem festgelegten Eingewöhnungskonzept. Dieses Konzept entstand aus den Erfahrungen und Beobachtungen, die wir durch zahlreiche Aufnahmen von Kindern gemacht haben. Es basiert auf den Bedürfnissen, die Kinder beim Übergang von der Familie mit einer festen Bezugsperson und einem überschaubaren, vertrauten Umfeld in eine fremde Umgebung mit neuen Bezugspersonen haben. Neben diesem Eingewöhnungskonzept (als Grundlage) orientiert sich die Eingewöhnung auch an den individuellen Besonderheiten und Lebensumständen des Kindes.
Ein festgelegtes Eingewöhnungskonzept ist zum einen das Ergebnis einer fundierten Beobachtung bzw. Erfahrungsauswertung und somit ein zielgerichtetes pädagogisches Arbeiten im Hinblick auf die kindlichen Bedürfnisse. Zum anderen berücksichtigt es entwicklungspsychologische Hintergründe, die für die Arbeit mit den Kindern sehr wichtig sind.
Ein erarbeitetes Konzept gewährleistet somit eine kontinuierliche, pädagogische Arbeit in einer Einrichtung. Durch das Konzept hat jede pädagogische Fachkraft eine gut durchdachte und reflektierte Anleitung an der Hand, nach der sie ihr Tun ausrichtet. Die einzelne pädagogische Fachkraft muss somit nicht unter Zeitdruck bei der Eingewöhnung neu überlegen, wie sie diese gestaltet. Zum anderen besteht durch ein schriftliches Fixieren des Eingewöhnungskonzeptes die Möglichkeit, dieses bereits beim Aufnahmegespräch mit den Eltern zu besprechen. Das ist wichtig, da das Konzept die Mitarbeit der Eltern an der positiven Gestaltung der Eingewöhnung voraussetzt.
Ein Konzept beinhaltet eine schriftliche Information für die Eltern; die regelmäßige Reflexion, ggf. Überarbeitung durch die pädagogischen Fachkräfte; eine detaillierte, schriftliche Ausarbeitung der Vorgehensweise während der Eingewöhnung für den internen Gebrauch; sowie ein systematisches, einheitliches Vorgehen aller Teammitglieder.
In der schriftlich fixierten Vorgehensweise sind die Rahmenbedingungen festgelegt (z. B. feste Bezugskraft, Urlaubsplanung des Teams ist auf die Eingewöhnung abgestimmt, Aufenthaltsdauer des Kindes in der Einrichtung).
Eingewöhnungskonzept
Der sanfte Übergang des Kindes aus dem familiären Umfeld (oder aus der Krippe) in die Kindertagesstätte ist von großer Bedeutung. Eine stabile Beziehung zu einer fremden Person kann nur allmählich aufgebaut werden. Dies ist am besten gewährleistet, wenn die Gewöhnung an die neue Umgebung, die anderen Kinder und die noch nicht vertrauten Erwachsenen langsam und unter Begleitung der Eltern vonstattengeht.
Hierbei orientieren wir uns am „Berliner Modell“. Es ist kein starres Programm, sondern dient als Orientierungsrahmen für die Übergangszeit vom Elternhaus/Krippe in die Kindertagesstätte. In der Regel beträgt die Dauer der Eingewöhnung vier zusammenhängende Wochen. Die Eltern begleiten während dieser Zeit ihr Kind. Manche Kinder brauchen auch mehr Zeit. Wir orientieren uns bei der Entscheidung darüber, wie lange ein Kind begleitet werden muss, am Verhalten und Befinden des Kindes (individuell gestaltet).
1. bis 2. Tag (09.30 bis 10.30 Uhr):
Wir bitten die Eltern, zu bestimmten Zeiten mit ihrem Kind zu kommen, da es für das Kind leichter ist, wenn es zunächst immer auf die gleiche Situation trifft. Während der Eingewöhnung wird das Kind eine feste Bezugsperson haben. Die Eltern bleiben bei dem Kind in der Gruppe. Das Kind hat so die Möglichkeit, sich langsam von den Eltern zu entfernen, aber bei Bedarf die Eltern wieder aufzusuchen. Sie sind der „sichere Hafen“ für ihr Kind. Aus dieser Sicherheit heraus wird das Kind sich recht bald für die neue Umgebung interessieren. Wir bitten die Eltern, sich möglichst passiv zu verhalten und die Bezugskraft wird versuchen, Kontakt zu dem Kind aufzunehmen.
3. bis 10. Tag (09.30 bis 10.30 Uhr):
Ein erster Trennungsversuch kann stattfinden. Die Eltern sollten den Gruppenraum für 10 Minuten verlassen (aber in der Nähe bleiben), wenn das Kind zufrieden spielt und keinen Trost und Sicherheit bei ihnen sucht. Es ist sehr wichtig, dass die Eltern sich, wenn sie den Raum verlassen, von ihrem Kind verabschieden.
Die Reaktion des Kindes auf diesen ersten Trennungsversuch in der neuen Umgebung enthält wichtige Anhaltspunkte über die Dauer der Eingewöhnungszeit. Die Bezugskraft wird die Eltern über das weitere Vorgehen beraten. Kann sich das Kind gut von den Eltern lösen, so sollten sie nur noch kurz im Gruppenraum bleiben, sich kurz von ihrem Kind verabschieden und das Kind zu der abgesprochenen Zeit wieder abholen. Es ist wichtig, dass die Eltern während der gesamten Eingewöhnung jederzeit erreichbar sind.
Die Eingewöhnungszeit ist abgeschlossen, wenn die Bezugskraft das Kind im Ernstfall trösten/beruhigen kann und grundsätzlich in guter Stimmung spielt. Das muss nicht heißen, dass das Kind nicht mehr weint, wenn die Eltern sich nach dem Bringen von ihm verabschieden. Wenn das Kind weint, so drückt es damit aus, dass es die Eltern lieber dabei hätte. Es wird sich jedoch nach Abschluss der Eingewöhnungszeit von der Bezugskraft beruhigen lassen, wenn die Eltern gegangen sind.
Wenn möglich, sollten die Eltern ihr Kind in den ersten vier Wochen nur halbtags in der Kindertagesstätte betreuen lassen. Zu bedenken ist, dass auch bei einer gut verlaufenden Eingewöhnungszeit das Kind all seine Kraft und sein Können braucht, um sich mit den neuen Verhältnissen vertraut zu machen. Eine Ganztagsbetreuung von Anfang an erschwert dem Kind diese Aufgabe.